In diesem Blog beschäftigen wir uns mit einem Thema, das im Web-Zeitalter regelmäßig für Diskussionen und sogar Konflikte sorgt: Kommunikation. Die große Vielfalt an modernen Kanälen, die zahlreichen Hinweise, Vorgaben und Meinungen zum Thema Datenschutz und nicht zuletzt die Nachrichtenübertragung in Lichtgeschwindigkeit machen es nicht leicht, den richtigen Umgang zu finden.
Ein häufig zu beobachtendes Problem entsteht aus der Möglichkeit eines Versenders, jederzeit Nachrichten zu verschicken. Nicht wenige Menschen fühlen sich unter Druck gesetzt, weil sie glauben, auf dienstliche Mails grundsätzlich sofort antworten zu müssen – selbst, wenn man sie spät abends oder am Wochenende erhält. Die daraus immer wieder abgeleitete Forderung ist, dass zu bestimmten Zeiten keine Nachrichten verschickt werden dürfen, um Ruhezeiten zu garantieren und die Arbeitszeit nicht in die Freizeit hinein auszudehnen. Mit Blick auf den Druck, den Mitteilungen auslösen können, ist das verständlich – aber nicht sinnvoll!
Ich war beruflich lange und intensiv beschäftigt mit Kooperationen meines Unternehmens und Partnern auf der ganzen Welt. Unterschiedliche Zeitzonen zwischen Europa einerseits, Asien, Australien und Amerika andererseits ließen kaum gemeinsamen Bürozeiten zu, gemeinsame Telefonkonferenzen waren schwierig zu vereinbaren, und so war die Email bzw. vergleichbare Messenger-Dienste unser Standard-Kommunikationsmedium. Es war völlig normal, dass während der Abend- und Nachtstunden ständig Meldungen eingingen, sogar am Wochenende, denn im arabischen Raum wurde manchmal samstags, aber grundsätzlich sonntags wieder gearbeitet, dafür war dann dort am Freitag arbeitsfrei. Wenn wir versucht hätten, auf jede Nachricht sofort zu antworten, hätten wir niemals Freizeit gehabt, nicht einmal der normale Nachtschlaf wäre möglich gewesen. Funktioniert hat es aber trotzdem sehr gut, weil wir ein grundsätzliches gemeinsames Verständnis hatten: Emails sind anders als Telefongespräche „asynchrone Kommunikation„, bei der Sender und Empfänger nicht zur gleichen Zeit zusammenkommen. Eine umgehende persönliche Antwort wird – anders als beim Telefonat oder persönlichen Gespräch – nicht erwartet, sie wäre auch nicht möglich. Deshalb kann auch keine sofortige Reaktion erwartet werden, egal wann und wie schnell die Übermittlung der betreffenden Nachricht erfolgt ist. War etwas dringend, komplizierter und bedurfte einer umgehenden Antwort, wurde telefoniert bzw. per Mail ein kurzfristiger, als dringend gekennzeichneter Termin für Telefonat vereinbart.
Solche elektronischen Nachrichten haben also eigene klare Eigenschaften und basieren auf einem gemeinsamen Verständnis:
- der Sender schreibt die Nachricht, wenn es bei ihm (oder ihr) zeitlich passt. So können z.B. Themen noch schnell am Freitagabend an die Partner auf der ganzen Welt adressiert werden und damit ein Zwischenschritt der Bearbeitung zunächst einmal abgeschlossen werden. Wir haben so auch Gedanken, eine Frage o.ä. mit dem oder den Empfängern geteilt. Kein „Sender“ erwartet eine kurzfristige Antwort, das Ziel der Mail ist lediglich, die Information zu teilen und den Empfängern Gelegenheit zu geben, sich mit den Fragestellungen zu beschäftigen, sobald sie dazu Zeit finden.
- bei den Empfängern ist es ähnlich: man liest die Nachrichten, wenn es hier zeitlich passt, vor allem aber werden sie üblicherweise erst dann bearbeitet und beantwortet, wenn man wieder im Dienst ist. Das konnte bei uns Stunden oder auch Tage später sein und hatte den zusätzlichen Vorteil, dass die Antwort nach eigener Prüfung / Recherche / interner Abstimmung und Meinungsbildung erfolgte und damit inhaltlich fundierter war, als es die umgehende Beantwortung in einem persönlichen Gespräch erlaubt hätte.
Im schulischen Kontext sind unterschiedliche Zeitzonen zwar kein Problem, aber auch hier ist „asynchrone Kommunikation“ oft sehr vorteilhaft.
Ein Telefonat als direkte / synchrone Kommunikation konnte schon zu reinen Festnetz-zeiten ungelegen sein, mit den heutigen Mobilgeräten ist die Wahrscheinlichkeit dafür noch erheblich größer. Man möchte als Eltern z.B. nicht mit der Klassenlehrerin über disziplinarische Probleme der Kinder diskutieren, wenn man gerade im Büro umgeben von Kolleginnen und Kollegen ist. Auch Lehrkräfte tun sich schwer, in der Warteschlange vor der Supermarktkasse die Beurteilungskriterien der letzten Klassenarbeit zu erläutern. Hier ist asynchrone Kommunikation eine ideale Lösung: Sender (z.B. Lehrkräfte) schicken ihre Nachricht, wenn es bei ihnen zeitlich passt und die Empfänger (z.B. Eltern) lesen bzw. beantworten sie, wenn es dort geht (das gilt selbstverständlich umgekehrt ganz genauso). Damit besteht – anders als z.B. bei einem Telefonat – die Möglichkeit, vorher noch weitere Informationen einzuholen, z.B. mit Kindern und Partnern (Eltern) oder im Kollegium zu sprechen.
Aufbauend auf diesem Verständnis sind elektronische Nachrichten in unserem Konzept ein wesentliches schulisches Kommunikationsmittel geworden. Wir nutzen sie für die Kommunikation innerhalb von Kollegium und Fachschaften, zwischen Lehrkräften und den Lerngruppen und ebenso mit den Eltern. Grundlage ist dabei immer das gemeinsame Verständnis, dass wir asynchron kommunizieren, was auch Erwartungen entgegenwirkt, die Nachricht würde sofort gelesen und umgehend beantwortet. Wenn es wirklich eilig ist (und das ist es oft nicht), benutzt man das Telefon, muss dann aber darauf gefasst sein, dass die andere Seite gerade nicht sprechen kann.
Eine Fragestellung kommt allerdings grundsätzlich auf, wenn man elektronische Nachrichten nutzt: darf der betreffende Kanal und der betreffende Inhalt rechtlich überhaupt verwendet werden? Dabei spielt nicht nur der Datenschutz eine Rolle, Schulbehörden können auch weitere Vorgaben erlassen, was wie elektronisch kommuniziert werden darf. Die Kriterien für solche Vorgaben können recht vielschichtig sein und die rechtlichen und technischen Grundlagen sind meist komplex, wie z.B. die Diskussion zum Thema „WhatsApp“ vor ein paar Jahren gezeigt hat. Es macht daher wenig Sinn, Lehrkräfte im Detail zu Datenschutz und Eigenschaften von Technologien zu schulen und ihnen dann individuell die Entscheidung zu überlassen, was wie genutzt wird. Noch viel weniger angebracht wäre es, wenn sie für Entscheidungen zu komplexen Sachverhalten auch noch haftbar gemacht werden können – wie es einige Datenschutzbeauftragte während der Corona-Schulschließungen angedroht hatten. Stattdessen sollten Schulen den Umgang mit Kommunikationsmöglichkeiten in möglichst einfacher Form schriftlich, verbindlich, vor allem aber klar und eindeutig vorgeben, was auch im Hinblick auf Einheitlichkeit an der Schule empfehlenswert ist.
Das bedeutet aber auch: die Schulen müssen sicherstellen, dass man über ein geeignetes Kommunikations-System verfügt. Vereinzelt werden entsprechende Anwendungen von den Kultusministerien bereitgestellt, in anderen Fällen werden Werkzeuge wie z.B. der „Schulmanager“ von Schule bzw. Schulträger beschafft. Aber auch dann sollte der Nutzungsrahmen unbedingt klar und möglichst einfach definiert werden.
Wenn die Kommunikation technisch und inhaltlich definiert ist und geeignete Systeme verfügbar sind, kann es losgehen.
Ein Hinweis: Wo leistungsbezogene und disziplinarische Inhalte zugelassen sind, kann man das traditionell recht starre System von schulischen Informationen und Benachrichtigungen an Eltern sehr viel flexibler gestalten. So lässt sich z.B. vermeiden, dass Eltern erst durch Zeugnis oder einen Brief der Schule von bestehenden Problemen erfahren. Lehrkräfte können frühzeitiger auf entstehende Probleme hinweisen und gemeinsam mit den Eltern abstimmen, was getan werden kann. Ich möchte aber nicht verschweigen, dass hier auch ein gewisses Risiko besteht, dass einzelne übermäßig besorgte Eltern aus der Kommunikation mit Lehrkräften für letztere einen Vollzeit-Job machen. Hier müssen Schule, Eltern und Schülerinnen und Schüler ein angemessenes Maß entwickeln, und auch den Mut haben, die Kommunikation in angemessener Weise zu verkürzen.
Die Nutzung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten hat nach unserer Erfahrung nicht nur bei der Verbesserung von Lernerfolgen geholfen, sondern auch dabei, Konflikte frühzeitig zu entschärfen oder zumindest rasch zu Lösungen zu gelangen. Natürlich sind auch persönliche Gespräche manchmal unverzichtbar, aber dann konnten wir durch den elektronischen Austausch meist schon eine Lösungsgrundlage vorbereiten. Hilfreich kann hier eine unterstützende Schulung von Lehrkräften zur Kommunikation und dem kommunikativen Umgang mit Konflikten sein, wenn diesbezüglich Unsicherheiten bestehen. Tatsächlich haben diese Kommunikationsformen den klassischen „Elternsprechtag“ im Prinzip verzichtbar gemacht. Ohnehin ist dieses Format zu einer Schul-Variante von Speed-Dating geworden, bei dem ein großer Teil der Sprechtermine von Eltern wahrgenommen wird, zu deren Sprösslingen es eigentlich wenig bis gar nichts zu besprechen gibt.
Kommunikation kann aber auch im direkten Zusammenhang mit Lernthemen stehen. Das muss sich nicht alleine auf den Schulunterricht beziehen – Lernen kann ja auch außerhalb der Schule erfolgen. Gibt es z.B. besondere Veranstaltungen, die im Unterricht besprochene Themen und Fragestellungen darstellen, erweitern oder vertiefen, kann man auch so etwas mit der Lerngruppe teilen. Das muss nicht immer streng bildungsorientiert sein, neben besonderen Angeboten z.B. von Museen kann man auch auf unterhaltsamere Dinge wie Kinofilme, Fernsehbeiträge oder auch Vorführungen hinweisen. Selbst wenn nicht immer alles 100%ig umfassend, ggf. historisch korrekt dargestellt wird, ist es uns auf diese Weise immer wieder gut gelungen, das Interesse für bestimmte Themen zu wecken.
Wenn eine Diskussion strukturiert aufgesetzt werden soll, sind Messenger- und Email-Systeme nicht unbedingt die beste Wahl. Man findet vieles leider – wenn überhaupt – in der hohen Anzahl von Mails / Nachrichten nur nach längerer Suche wieder. Wir nutzen deshalb für strukturierten Austausch insbesondere in „Diskussions-Fächern“ wie Politik die Moodle-Aktivität „Forum“.
Darin kann man einleitend bestimmte Themen / Fragestellungen beschreiben und dann innerhalb der Lerngruppe diskutieren lassen. Ebenso möglich ist, dass Schülerinnen und Schüler eigene Themen zur Diskussion stellen. Wichtig ist aber auch hier das grundsätzliche Verständnis, dass auch Diskussionen im Forum asynchron ablaufen: Teilnehmerinnen und Teilnehmer können die Beiträge lesen, wann und wo sie möchten, und sie können antworten, wenn, wann und wo es für sie passt. Der „Freiwilligkeitscharakter“ kann zu einer längeren Anlaufphase führen (es ist ja nicht unbedingt „cool“, außerhalb von Unterricht und Hausaufgaben etwas zu tun, was mit Lernen zu tun haben könnte), aber nach der Anlaufphase ist der Weg nach unserer Erfahrung nachhaltig motivierender.
Ich habe die Kommunikation innerhalb von Schule und Fachschaften hier nicht gesondert behandelt. Tatsächlich basiert sie weitgehend auf den bereits genannten Prinzipien, insbesondere im Hinblick auf die asynchrone Kommunikation. Es gibt allerdings häufiger als im Schüler-Kontext Kommunikationsinhalte, die nicht nur der einmaligen Lösung eines akuten Problems dienen. So können Tipps & Hinweise zu Quellen und Unterrichtsgestaltung und manches mehr auch erst später relevant werden. Das erfordert etwas mehr Strukturierung, um Informationen dann auch nach einiger Zeit ohne aufwendige Suche wiederzufinden. Deshalb ist die Nutzung der Aktivität „Forum“ für die Kommunikation in Kollegien und Fachschaften besonders zu empfehlen.
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