Die moderne Schule erfordert digitale Kommunikation zwischen Schulleitung, Lehrkräften, Schüler*innen und Eltern

Fragt man nach Inhalten und Ziele der Digitalisierung von Schulen, erhält man meist Antworten, die auf Unterrichtsinhalte, Hausaufgaben etc. abzielen. Kommunikation zwischen Schule, Schüler*innen und Eltern sind jedenfalls eher selten Teil einer solchen Aufzählung. Zu Unrecht, denn ohne die neuen Möglichkeiten des Austauschs bleiben elementare Chancen auf der Strecke.

Kommunikation außerhalb des Unterrichts spielt im klassischen Schulbetrieb eher eine Nebenrolle: ein paar Elternbriefe, Elternabend, Elternsprechtage und ansonsten nur dann eine Nachricht, wenn es größere disziplinarische Probleme gibt oder die Versetzung gefährdet ist. In früheren Jahren war das durchaus nachvollziehbar, denn jede dieser Maßnahmen war vergleichsweise zeitintensiv. Ohne Vor-, oft auch Nachbereitung war so etwas selten zu machen.

Digitale Kommunikation schafft nun neue Möglichkeiten oder vereinfacht Bisheriges erheblich.

Früher war synchrone Kommunikation Standard. Dabei kommunizieren beide Seiten zur gleichen Zeit miteinander. War das bei geplanten Ereignissen wie Elternabenden oder Elternsprechtagen noch okay, konnte schon ein Telefonat zum Problem werden. Wenn Vater / Mutter eine Lehrkraft anruft, um über disziplinarische oder Leistungs-Probleme des Kindes zu sprechen, dabei im Großraumbüro sitzt und die Lehrkraft gerade in der Schlange an der Supermarktkasse steht, hat man auf beiden Seiten zwar große Aufmerksamkeit, aber selten eine konstruktive Diskussion. Und der Elternsprechtag gleicht oft einem Speeddating, bei dem selten substantiell diskutiert werden kann.

Asynchrone Kommunikation, bei der „Senden“ und „Empfangen“ zeitlich und meist auch örtlich auseinander fallen, vermeiden zwar einige der Probleme synchronen Austauschs, aber das Schreiben eines Briefes war schon zeitaufwendig, und wenn man zusätzlich noch eine Antwort erwartete, konnten leicht auch 1-2 Wochen ins Land gehen. Das geht mit Messenger-Systemen heute schneller und flexibler, die Adressierung kann genau auf die Aufgabenstellung zugeschnitten werden, die Zustellung erfolgt ohne Zeitverzug und es kann auch gleich (oder wann immer der/die Empfänger Zeit hat/haben) geantwortet werden. Vor allem aber hat man Gelegenheit, vor dem Antworten noch einmal nachzudenken – bei synchroner Kommunikation geht das kaum.

Völlig neu ist in der digitalen Welt die automatische Bereitstellung von Informationen. Dabei entsteht nicht unbedingt zusätzlicher Aufwand, weil für andere Zwecke elektronisch erfasste Informationen gleichzeitig auch zur Übermittlung an Schüler*innen/Eltern bereitgestellt werden. Beispiele dafür sind z.B. digitale Klassenbücher, wo Lehrinhalt einer Unterrichtsstunde und Hausaufgaben erfasst und über den Dokumentationszweck hinaus auch Schüler*innen und Eltern zur Verfügung gestellt werden. Auch dieser Informationsfluss ist letztlich Kommunikation.

Digitalisierung erweitert also einerseits den Umfang von Informationen, die ausgetauscht werden können, als auch die Informationskanäle. Neben den Klassikern wie persönlichem Gespräch, Telefonat und Brief stehen nun Email, Messenger, Informationssysteme, Voicemails, Video- und Telefonkonferenzen etc. zur Verfügung. Diese Vielfalt ist aber nicht nur Segen, denn alle Beteiligten stehen nun vor der Aufgabe zu entscheiden, was kommuniziert werden und auf welchen Kanälen das erfolgen soll. Auch „die Schule“ ist in dieser Welt nicht mehr eine einheitliche Institution, bei der Briefe zentral über das Schulsekretariat geschickt und empfangen werden, sondern löst sich auf in Schulleitung, Klassen- und Fachlehrer*innen mit jeweils eigener Email-/ Messenger-Adresse.

Die Corona-bedingten Schulschließungen haben gezeigt, dass „die richtige Kommunikation“ oft noch eine große Herausforderung darstellt. Da nicht immer klar war, wie die Kommunikationsaufgaben zwischen Schulleitung, Klassen- und Fachlehrer*innen aufgeteilt werden, wurden Inhalte oft nicht oder gleich mehrfach kommuniziert. Manche Eltern beschwerten sich darüber, dass sie keine Informationen von der Schule erhielten, andere, dass sie täglich mit einer großen Menge Mails überschwemmt wurden.

Schließlich meldeten sich dann auch noch die Datenschutzbeauftragten einiger Bundesländer, die Schulen und Lehrkräften vorwarfen, bei ihrer Kommunikation gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen zu haben. Tatsächlich ist die Liste möglicher Verstöße gegen das DSG lang, angefangen beim Versand von Mails an die Eltern einer Klasse (wenn die Email-Adressen anderer Empfänger in der Mail sichtbar sind, ohne dass von allen dafür eine Zustimmung vorliegt) bis zur Verwendung von Messengern (einige wie WhatsApp speichern die Kontakte der Nutzer auf Servern in den USA und ermöglichen prinzipiell den Zugriff darauf auch durch die amerikanischen Behörden), selbst Video- und Telefonkonferenzsysteme können datenschutzrechtlich problematisch sein.

Die so ausgelöste Verunsicherung hat natürlich mancherorts dazu geführt, dass Schulen und Lehrkräfte nur im Ausnahmefall elektronisch kommuniziert haben und sich so auch ersparen konnten, ein Konzept dafür zu entwickeln, wer über was auf welchem Wege informieren soll. Das wiederum sieht wohl niemand als nachhaltige Lösung an.

Mit ein paar konzeptionellen Ansätzen lassen sich diese Punkte ohne Weiteres lösen, aber dazu brauchen die Schulen zumindest in der ersten Phase Unterstützung von außen. Schauen wir uns die drei Kernfragen einmal genauer an.

Wie kommunizieren?

Ideal als Kommunikationskanal sind Plattformen, die neben Nachrichtenversand auch weitere Informationen vorhalten, wie z.B. Stunden- und Vertretungspläne, Lehrinhalte und Hausaufgaben etc. Je breiter die Palette von Inhalten ist, desto mehr Routine im Umgang mit der Anwendung gewinnen Schulen, Lehrkräfte, Eltern und Schüler*innen. Bei der Auswahl möglicher Lösungen muss auch geprüft werden, ob die betreffende Anwendung dem Datenschutzgesetz entspricht. Emails sind dagegen deutlich problematischer, z.B. wenn man die Email-Adressen der Empfänger in das „An“-Feld schreibt. Man darf bei Emails an einen Verteiler nicht einfach die angeschriebenen Adressen jedem Empfänger bekannt machen. Das kann man vermeiden, wenn man die Mail im „An“-Feld an sich selber schickt und die eigentlichen Adressaten in das Adressfeld „BCC“ (=“Blindkopie an:“) einträgt.

Wenn möglich, sollte ein Kanal, z.B. ein Messenger, der alle Beteiligten erreicht, zum führenden Kommunikationsweg bestimmt werden. Zusätzliche Wege und insbesondere synchrone Kommunikation wie Telefon sollten nur dann genutzt werden, wenn es im Einzelfall explizit verabredet wurde (Terminvereinbarung).

Was kommunizieren?

Manches, was sinnvoll wäre, lässt sich in der gegebenen IT-Umgebung mancher Schulen heute nur mit großem Aufwand umsetzen, und dafür fehlen meist Ressourcen. Mittelfristig aber sollte angestrebt werden, die folgenden Informationen bereitstellen zu können:

  • Leistungsstand: Eltern wie Schüler sehen heute oft nur einen Ausschnitt ihrer Leistungsbeurteilung. Eltern sehen insbesondere solche Noten, wo sie die Kenntnisnahme bestätigen müssen, also z.B. Klassenarbeiten. Das muss nicht unbedingt ein zutreffendes Bild über den gesamten Leistungsstand widerspiegeln, und so gibt es leider zu oft Überraschungen bei den Zeugnissen. Wenn Eltern bei Leistungsdefiziten ihrer Kinder unterstützen sollen, erfordert das eine laufende und vollständige Information über die Leistungsstände ihrer Kinder
  • Disziplinarisches: Bundesländer und Schulen haben Strukturen entwickelt, wie man mit disziplinarischen Problemen umgeht. Diese basieren aber auf den klassischen Kommunikationsmöglichkeiten wie Briefen. „Verweise“ z.B. sind aber schon recht schweres Geschütz. Ein frühzeitiger Dialog zwischen Schule, Eltern und den betroffenen Schüler*innen kann rechtzeitig und gezielt ansetzen und so vermeiden, dass Dinge erst eskalieren müssen, bevor man in Kontakt zu den Eltern tritt
  • Lehrinhalte: Bei Nach- und Vorbereitung von Unterrichtsstunden und insbesondere, wenn man sich auf Tests und Klassenarbeiten vorbereitet, müssen Schüler*innen einen vollständigen Überblick darüber gewinnen, welche Inhalte in welcher Form behandelt wurden. Die guten alten Tafelbilder haben auch mir Probleme gemacht, wenn ich versucht habe, gleichzeitig abzumalen / -schreiben, was dort steht, aber gleichzeitig auch noch weiter den Ausführungen des Lehrers/der Lehrerin zu folgen.
    Als grobe Information können dabei die Einträge in elektronischen Klassenbüchern genutzt werden. Empfehlenswert ist aber, möglichst alle Materialien von Arbeitsblättern bis hin zu Tafel-/Whiteboard-Darstellungen möglichst in digitaler Form zur Verfügung zu stellen. Nur so stellen wir sicher, dass alle Schüler*innen sich gleichermaßen gut auf Leistungsüberprüfungen vorbereiten können. Das hilft übrigens auch denjenigen, die z.B. aufgrund von Krankheit nicht an allen Unterrichtsstunden teilnehmen konnten
  • Hausaufgaben: In einer Schule unserer Umgebung werden seit kurzem die gestellten Hausaufgaben in elektronischer Form auch für Eltern zugänglich gemacht. Zunächst überraschend, häuften sich umgehend die Nachfragen von Eltern, deren Kinder bestimmte Arbeitsblätter nicht erhalten hätten. Auch, wenn es eindeutig war, dass alle Kinder die Materialien sehr wohl erhalten haben: wie stellt man so etwas kurzfristig zur Verfügung und macht künftig solche Nachfragen möglichst überflüssig? Durch Bereitstellung idealerweise aller Unterrichtsmaterialien in digitaler Form. Gerade das ist heute oft kaum umsetzbar, aber mit den richtigen Konzepten, der nötigen Infrastruktur und entsprechendem Training der Lehrkräfte schrittweise sehr wohl zu erreichen
  • Individuelle Probleme von / mit Schüler*innen: Kommunikation ist auch immer Gewohnheitssache. Je selbstverständlicher es ist, wenn sich Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen austauschen, desto offener, vorurteilsfreier und konstruktiver findet der Dialog statt. So können Dinge oft schon im Vorfeld abgefangen werden, bevor sie sich zu massiven Problemen entwickelt haben
  • Konstruktives Feedback: Digitale Medien ermöglichen einfaches Feedback, entweder in Form von Dialog bei individuellen Themen als auch als Feedback bei allgemeinen Fragestellungen. So lässt sich kurzfristig eine recht gute Information darüber erhalten, ob Maßnahmen ihren Zweck erfüllen, Probleme tatsächlich gelöst werden können. Selbst technische Schwierigkeiten im Rahmen des Fernunterrichts ließen sich oft kreativ umgehen, nachdem es entsprechendes Feedback von Schüler*innen, Eltern oder auch aus den Lehrerkollegien gab.

Wer kommuniziert?

Diese Frage ist bei Eltern und Schüler*innen ohnehin klar, aber von der Schule muss sie beantwortet werden. Mit Schulleitung, Klassen- und Fachlehrer*innen gibt es potentiell drei Adressaten. Im Einzelfall existieren möglicherweise gewachsene Zuständigkeiten, die ihre Berechtigung haben, aber oft bietet sich die folgende Struktur an:

Die Schulleitung informiert über allgemeine und übergreifende Dinge des Schullebens. Typischerweise geschieht das in standardisierter Form. Kommunikation zu individuellen leistungs- und disziplinarischen Problemen sollte üblicherweise nur dann erfolgen, wenn die Einbeziehung der höheren Hierarchie notwendig ist

Die Klassenleitung steht Eltern wie Schüler*innen in der Regel besonders nahe. Dieser Kommunikationskanal ist entsprechend besonders wichtig, sowohl für die Informationen zu Lernzielen, übergreifenden Themen für die ganze Klasse als auch im Falle von individuellen Inhalten. Ziel muss sein, hier eine besonders vertrauensvolle Verbindung zu etablieren, die im Bedarfsfall als Basis einer wirkungsvollen Problemlösung dienen kann. Besonders wichtig ist dieser Kanal, wenn Schüler*innen und Eltern stark verunsichert sind. Im Rahmen der Corona-bedingten Schulschließung habe ich Klassenleitungen empfohlen, umgehend stabile Kommunikationskanäle zu Eltern und Schüler*innen zu etablieren, darüber ständige Ansprechbarkeit anzubieten und bei Problemen zeitnah Lösungen zu vermitteln

Fachlehrer*innen sollten im Interesse einer transparenten Kommunikationsstruktur nur zu ihren fachlichen Inhalten direkt mit Schüler*innen und besonders Eltern in Kontakt treten. Eine direkte Kommunikation sollte darüber hinaus möglichst in Absprache mit bzw. nach Information der Klassenleitung erfolgen. Dies erfordert natürlich eine ausgeprägte Koordinationsrolle der Klassenleitungen, was aber letztlich die Kommunikation mit Schüler*innen und vor allem den Eltern erheblich erleichtert

Ist das nicht ein gewaltiger Mehraufwand?

Diese Sorge hatte ich tatsächlich, als ich zu Beginn der Schulschließungen mit Lehrkräften über den Kommunikationsbedarf diskutiert habe. Wir haben es umgesetzt, weil wir damals vorrangig die Dringlichkeit gesehen haben und zumindest während des Shutdowns eine eventuelle Mehrbelastung durch solchen Informationsaustausch machbar erschien.

Tatsächlich gab es zu Beginn eine etwas stärkere Kommunikation, aber dramatisch war der Aufwand dafür nicht. Im Laufe der Zeit ging der sogar deutlich zurück, auch, weil die Lehrer*innen recht schnell ein Gefühl dafür entwickelt haben, welcher Informationsbedarf besteht, was in welcher Frequenz „proaktiv“ kommuniziert werden sollte. Und nachdem man das umgesetzt hatte, wurde der Aufwand sogar recht gering. Die sonst üblichen Rückfragen konnten weitgehend vermieden werden, trotzdem fühlten sich Eltern und Schüler*innen sehr gut informiert.
So haben wir uns nach Rückkehr zum Präsenzunterricht noch einmal zusammengesetzt und das Kommunikationskonzept weiterentwickelt, wobei nun auch die unterrichtsbezogene Kommunikation unter Nutzung von „Blended Learning“-Ansätzen erweitert wurde

Wie sollte ein Kommunikationskonzept konkret aussehen?

Es gibt viele Möglichkeiten, Kommunikationskonzepte zu gestalten. In der kommenden Woche werde ich ein paar konkrete Beispiele dafür vorstellen und auch die verwendeten Tools beschreiben.

Veröffentlicht von diggitall

Hochschul-Gastdozent für "Sales & eCommerce" und Aviation-Themen Unternehmensberater

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